Musikgespräche

Hör mal (wieder)… „Bilder einer Ausstellung“ von Modest Mussorgski

Hörtipp Nr. 6 von Richie von SINFONIMA

Regelmäßige Leser der SINFONIMA-Hörtipps kennen ja inzwischen wohl meine zugegebene Vorliebe für „Musik für’s Kopfkino“ (fachlich „Programmmusik“ genannt). Ein deutlicheres Beispiel als eine Vertonung von Gemälden wie in „Bilder einer Ausstellung“- Erinnerungen an Viktor Hartmann von Modest Mussorgski lässt sich dafür wohl kaum finden. Der heutige Hörtipp bezieht sich auf die Instrumentierung von Maurice Ravel.

Foto:

Zehn Gemälde seines verstorbenen Freunds Viktor Hartmann (1834-1873) haben den russischen Komponisten Modest Mussorgski (1839-1881) im Jahr 1874 zu seinem Klavierzyklus „Bilder einer Ausstellung“ inspiriert. Einigen der „Bilder“ ist eine „Promenade“ vorangestellt. Durch sie wird der Hörer – insbesondere bei starken Kontrasten zum vorherigen – auf das folgende Bild eingestimmt und ihm wird so ein Rundgang wie durch eine Ausstellung vermittelt. (Ein paar der Originalgemälde kann man übrigens im Artikel über das Werk bei Wikipedia anschauen.)

Der französische Komponist Maurice Ravel (1875-1937) hat dann 1922 – unter sehr einfühlsamer und exakter Anwendung der Orchestersprache Mussorgskis – die Klaviermusik so genial für Orchester instrumentiert, dass sich diese Fassung in den Konzertsälen der Welt gegenüber anderen dauerhaft durchgesetzt hat.

Für die sehr unterschiedlichen Motive der einzelnen Bilder hat Mussogski sehr differenzierte Klangfarben und Ausdrucksweisen gefunden. Das wird z. B. deutlich, wenn man die Musik für das Bild „Das alte Schloss“ mit der für das „Das Ballett der Kücklein in ihren Eierschalen“ vergleicht. Jedes Stück hat seinen eigenen Charakter. Und wer sich die Mühe macht, die originalen Klavierfassungen mit den jeweiligen Orchesterstücken zu vergleichen, kann noch sehr viel mehr zu diesem Thema entdecken.

Von allen „Bildern“ ist das vierte, „Der Ochsenkarren“ (Bydlo),
mein liebstes „Kopf-Filmmusik-Stück“. Vielleicht könnt ihr das ja nachvollziehen:

Ein rastender Wanderer - niedergelassen im Gras an einem Feldweg - sieht (und fühlt (!) in der Interpretation des Dirigenten und des Orchesters hoffentlich auch) von Ferne einen Bauern mit seinem von einem Ochsen gezogenen, schwer beladenen, großen zweiräderigen Karren auf sich zukommen. Jeder kraftvolle Tritt des Ochsen ist in der Musik hörbar dokumentiert und wird damit spürbar, insbesondere dann, wenn im Höhepunkt zum Wirbel der Rührtrommel die Hufe fast den Kopf des zu nahe am Weg verharrenden Wanderers treffen, bevor Bauer, Ochse und Karren dann – wie sie gekommen sind – langsam wieder in der Ferne verschwinden.

Neuerdings erkläre ich die besondere Unvorsichtigkeit des im Gras liegenden Wanderers damit, dass er mit seinem Handy filmend den stampfenden Ochsenhufen zu nahe kommt ist. Ich muss da vielleicht gelegentlich mal auf Instagram nachschauen...

So, nun hier mein versprochener Hörtipp zum Anhören in drei Fassungen:

1. Die Orchesterversion des Moscow Philharmonic Orchestra, Iurii Botnari.

2. Eine Klavierfassung für euch (Original); gespielt von Jose Andres Navarro Silberstein, 2014.

3. Und hier nochmal eine Orchesterfassung (Ravel). Es spielt das Landesjugendorchester Baden Württemberg unter der Leitung von Christoph Wyneken, 08.11.2005:

Ich hoffe, Ihr habt Lust bekommen, die komplette Ausstellung musikalisch (wieder einmal?) zu besuchen. 


Euer Richie 

Kennt ihr schon Richies frühere Hörtipps?

Hör mal (wieder) – Orpheus und Eurydike von Christoph Willibald Ritter von Gluck
Hör mal (wieder) - Ariadne auf Naxos
Hör mal (wieder) - L'elisir d'amore
Hör mal (wieder) - Die Moldau
Hör mal (wieder) - Neue Hörtipp Reihe von und mit Richie

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