Musikgespräche

Hör mal (wieder) - "Hoffmanns Erzählungen" von Jacques Offenbach

Hörtipp Nr. 4 von Richie von SINFONIMA

Der heutige Hörtipp ist dem 4. Akt der Oper "Hoffmanns Erzählungen" (Les Contes d’Hoffmann) von Jacques Offenbach entnommen und: Nein! Es ist nicht - jedenfalls nicht direkt - die fast jedem bekannte, weltberühmte Barcarole in der die „Schöne Nacht, du Liebesnacht“ besungen wird. Richie weist dazu auch auf einige merkwürdige Kuriositäten hin. Kanntet ihr sie bereits?

Fotos: Mannheimer Versicherung AG

Über 100 Bühnenwerke hat Jacques Offenbach geschrieben und mit ihnen die Operette erfunden. Nur zwei (!) Opern sind darunter. Und die Oper, auf die sich der heutige Hörtipp bezieht, hat er nicht vollenden können. Sie wurde erst 1881 im Jahr nach Offenbachs Tod uraufgeführt. Daher gibt es unzählige Fassungen und Bearbeitungen und das moderne Regietheater kann sich unendlich an dieser Oper austoben. Bis heute gleicht keine Aufführung der anderen und auch das macht diese Oper so spannend. Hier seht ihr ein Beispiel einer Aufführung aus Wien, im Folgenden erhaltet ihr Beispiele für weitere Aufführungen:

Darüber hinaus gibt es noch einige andere Merkwürdigkeiten:

1. Kuriosität: Wer eine Opernkarte für „Hoffmanns Erzählungen“ erwirbt, erlebt an einem Abend vier komplette, völlig verschiedene Opern mit – entsprechend den geografischen Handlungsorten - unterschiedlichster Musik: Die Rahmenhandlung des 1. und 5. Akts findet in Berlin in Luthers Weinkeller statt. Sie umspannt die in den Akten 2 bis 4 vom Dichter Hoffmann „erzählten“ Liebesgeschichten, die alle tragisch enden.  Im 2. Akt (der 1. Erzählung) geht es in Pavia um die skurrile, durch eine rosarote Wunderbrille ermöglichte Liebe zur automatischen Puppe Olympia. In München steht im 3. Akt die Liebe zur Sängerin Antonia im Fokus, die nicht singen darf, aber dazu dämonisch verführt wird. (Stephen King lässt grüßen). Und in Venedig geht es im 4. Akt schließlich um die unerfüllte Liebe Hoffmanns zur Kurtisane Giulietta, die ihn für einen Diamantring um sein Spiegelbild betrügt.

Diesem 4. Akt ist der heutige Hörtipp entnommen. Er beginnt mit der weltberühmten Barcarole, in der die „Schöne Nacht, du Liebesnacht“ besungen wird und deren Melodie eigentlich (und das ist die 2. Kuriosität) aus der anderen Offenbach-Oper „Die Rheinnixen“ stammt. Dieser war (leider) kein dauerhafter Erfolg beschieden.

Der Ausschnitt, ein „Septett“ (6 Solisten mit Chor), ist etwas, das es in dieser Form nur in der Oper gibt: Die laufende Handlung stoppt und alle Darsteller einschließlich des Chors geben den Gedanken über ihre augenblickliche persönliche Situation Ausdruck bzw. kommentieren die Handlung aus ihrer Sicht. Im Schauspiel unmöglich und sinnvollerweise undenkbar. In der Oper gängige Praxis und stets ein absoluter Höhepunkt der Dramatik und des musikalischen Könnens des Komponisten. (Dazu wird es sicherlich noch weitere Hörtipps geben.) Hört es euch selbst an: Alle singen gleichzeitig, jeder singt einen anderen Text und trotzdem klingt es unglaublich melodisch schön und mitreißend. (Hier das Beispiel einer Aufführung aus London.)


Apropos musikalisches Können des Komponisten und damit 3. Kuriosität: Das Septett ist eigentlich gar kein Beweis für das kompositorische Können Offenbachs, denn es wurde nicht von ihm komponiert!

4. Kuriosität: Das Stück war – wie der gesamte venezianische Akt (!) - bei der Uraufführung von „Hoffmanns Erzählungen“ am 10.02.1881 sogar überhaupt nicht zu hören. Aber und damit 5. Kuriosität: Der Arrangeur des Septetts, vermutlich André Bloch, verwendet darin in meisterhafter Weise Melodien Offenbachs (insbesondere die der Barcarole!) und hat damit ab 1905 wesentlich zum bis heute ungebrochenen Welterfolg der Oper beim Publikum beigetragen.

Vielleicht möchtet Ihr Euch ja jetzt davon überzeugen, dass selbstverständlich auch die unmittelbar von Offenbach stammende Musik der Erzählungen Hoffmanns und der Rahmenhandlung absolut hörenswert und spannend sind.

Hier noch ein Videoausschnitt von einer Aufführung der Semperoper in Dresden:

 

Euer Richie

 

 

 

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