Musikgespräche

Interview mit Eckhard Beste, Hearsafe Technologies GmbH & Co. KG.

Beste ist Experte in Fragen zu professionellem Gehörschutz und In-Ear-Anwendungen für glasklaren, lautstärkereduzierten Klang im Ohr z.B. während eines Konzerts. Auf der Musikmesse Frankfurt hat er sich für ein Interview mit uns Zeit genommen.

Welche Personengruppen kommen zu Ihnen? Wer sind Ihre Kunden? Sind dies nur Musiker oder auch Personen aus ganz anderen Berufszweigen?

Hauptsächlich kommen zu Hearsafe Menschen, die irgendwie mit Musik zu tun haben, die Musik machen, Musik verantworten oder organisieren, mit Musikern zu tun haben und diejenigen, die Musik lehren. Und dann diejenigen, die gerne Musik hören, ob dies nun im Club geschieht, oder auf Festivals wie "Wacken". Sehr wenige, die eher in klassische Konzerte gehen.

Welche Erfahrung haben Sie gemacht? Kommen Ihre Kunden tatsächlich zur Prävention zu Ihnen oder haben Sie eher Kunden, die bereits Probleme mit Ihrem Gehör haben, um dann einer weiteren Verschlechterung vorzubeugen? Würden Sie sagen, bestimmte Personengruppen haben ein ausgeprägtes Bewusstsein für den Schutz des Gehörs?

Kleine Anekdote: Gestern auf der Musikmesse in Frankfurt kam jemand auf mich zu, der schon lange im Musikbusiness tätig ist und noch keinen direkten Kontakt zu uns hatte und sagte: "Ich dachte, ihr seid eine –vielleicht sogar von der Politik – unterstützte Institution, die sich dafür einsetzt, dass den Menschen die Ohren nicht kaputt gehen."

Tatsächlich wird das mitunter so wahrgenommen. Über die Zeit kann ich tatsächlich sagen, dass das protektive Denken, also schon recht früh,  sich damit auseinandersetzen, dass laute Musik die Ohren schädigen könnte, zugenommen hat. Definitiv. Und dann haben wir im Bereich derjenigen, die beruflich mit Musik zu tun haben, seit 2008 auch die entsprechenden gesetzlichen Vorgaben auf EU-Ebene, die in einer Musikschule, einem Orchester, Opernhaus oder wo auch immer, umgesetzt und eingehalten werden müssen.  Das ist nicht immer ganz einfach. Aus diesen beiden Quellen gespeist, ist das Interesse und das Bewusstsein für den Gehörschutz doch deutlich gewachsen.

Bei älteren Menschen oder bei jüngeren?

Bei beiden. Wobei man sich gerade bei jungen Menschen darüber freut, dass sie sich mit dem Thema Gehörschutz auseinandersetzen wollen, dass eine eigene Motivation vorhanden ist und man den Gehörschutz nicht verordnen, nicht befehlen muss. Das würde ja dann auch eher nicht tragen. Und bei den älteren ist es so, dass man diese recht schnell beruhigen kann und sagen kann, dass wenn bisher nichts oder nicht so schwerwiegende Probleme aufgetreten sind, dann werden in den nächsten 10, 15, 20 Jahren wahrscheinlich auch keine großartigen Schädigung mehr passieren. Normalweise bringt es ja das Alter mit sich, dass man nicht mehr ganz so gut hört wie in jungen Jahren.

Wenn Laien das Wort "Gehörschutz" hören, denken die meisten sicher an die normalen Ohrstöpsel aus der Apotheke, meist gelb, zum Zusammendrücken. Wie unterscheidet sich ein Gehörschutz von Hearsafe von einfachen Hörstöpseln aus der Apotheke?

Das ist richtig. Die allermeisten haben immer noch erste Erfahrungen oder Grundvorstellungen von Gehörschutz, die davon geprägt sind, dass man sich einen Gehörschutz ins Ohr steckt, damit alles dumpf klingt und man dann nichts mehr richtig versteht, man sich weder unterhalten noch damit Musik machen kann. Natürlich sind diese immer noch das allererste Mittel, wenn ich nichts anderes habe – und sicherlich im Schlafzimmer ein gutes Mittel um mit dem Schnarchen des Partners zurande zu kommen. Aber auch für den Arbeitsplatz, gilt in weiten Teilen heute schon nicht mehr, dass man diese einfachen Hörstöpsel einsetzt. Sondern auch dort setzt man Intelligenz und einen Gehörschutz ein, der häufig bereits maßgefertigt ist und dann irgendwelche Bildersysteme hat, die die Kommunikation und eine Maschinenkontrolle möglich machen.

Oder in der Musik konkret solche, die im Wesentlichen die Lautstärke um einen herum senken, man sich selbst und sein Instrument jedoch prima hört. In der Musik weiß man um die Problematik. Aber sie lösen nicht alle Probleme, nämlich dort, wo solistisch gearbeitet wird, z.B. im klassischen Bereich oder bei bestimmten Instrumentengruppen ist es sehr schwierig, sich daran zu gewöhnen, um damit üben und spielen zu können. Aber auch da, in der musikalischen Ausbildung, an der musikalischen Hochschule, die Leute fangen früher an, üben sich früher ein, die Gehirne sind jünger. Es ist zum Teil erstaunlich, welche Adaptionsleistung offensichtlich möglich sind, wenn man früh damit beginnt.

Gewöhnt man sich auch schnell an das Druckgefühl Ihres Gehörschutzes?

Ein Druckgefühl sollte man eigentlich nicht haben beim Gehörschutz. Eher vielleicht hat man einer bei der Abdrucknahme, weil die Anatomie ja zunächst einmal durch eine Masse, die in das Ohr gespritzt wird, abgenommen werden muss. Aber danach sind die Produkte immer auch dadurch gekennzeichnet, dass sie einen Druckausgleich sicherstellen.

Eher bei den Ohrstöpseln aus der Apotheke, die man zusammendrückt, in den äußeren Gehörgang einführt und die sich dann ausdehnen, hat man dieses Druckgefühl im Ohr.

Warum ist eine individuelle Beratung so wichtig und worin besteht sie? Welche Fragen stellen Sie einem Kunden?

Musiker, was machst Du? Welches Instrument spielst Du, in welchem Setting, was hast Du schon ausprobiert, auf welche Vorerfahrung können wir zurückgreifen oder daran anknüpfen? Möchtest Du "nur" Gehörschutz haben oder möchtest Du eine neue Form von Monitortechnik einsetzen, das der Gehörschutz damit verbunden ist, dass man auch die Kontrollmonitore in den Gehörschutz mit einbaut, das, was man heute "In-Ear-Monitoring" nennt, also kleine Lautsprechersysteme, die in die Ohren kommen. Man fragt also nach Vorerfahrungen und nach dem Bedarf und versucht u.U. auch etwas konzeptionell zu entwickeln, was dann für den Einzelnen oder die Band oder das Orchester, was dann im Zusammenwirken funktioniert.

Was die Beratung eines Kunden am Arbeitsplatz (z.B. im Metallbereich) betrifft: Natürlich haben wir eine gewisse Vorstellung davon, welche Tätigkeiten ausgeübt werden und mit welchen Maschinen. Wenn Unsicherheiten bestehen, welchen Anforderungen und Belastungen der Kunde am Arbeitsplatz ausgesetzt ist, gehen wir in den Betrieb rein und hören es uns tatsächlich selbst einmal an, und sprechen auch mit den Mitarbeitern dort, was sie ggf. für einen Hörbedarf haben. Geht es darum, dass ich die Ohren einfach nur maximal zumache, oder welche kommunikativen Notwendigkeiten müssen sichergestellt werden. Bis dahin, dass man u.U. auch Hintergrundsysteme einsetzt und diese dann mit dem Gehörschutz verbindet. Also den Bedarf abfragen und die Situation möglicht genau beschreiben können und dann wirklich die Person mit ihrem ganz eigenen Hörvermögen, das vielleicht schon ein bisschen beeinträchtigt ist, berücksichtigt. Das muss sein.

Welche Fragen werden Ihnen von Musikern und allgemein von Musikinteressierten immer wieder gestellt oder waren auch auf der Messe ein Thema?

Immer wieder die Frage "Ist das, was ich als Hörbeeinträchtigung empfindet, durch die Musik herbeigeführt?". Das muss man sich genauer anschauen, man kann dafür keine pauschale Antwort geben. Nicht immer alle Probleme, die der Musik zugeschrieben werden, sind tatsächlich und berechtigterweise auf die Beschallung durch Musik zurückzuführen. Es gibt viele andere Einflüsse für eine Fehlentwicklung unseres Hörvermögens.

Oder eine andere Frage wird häufig gestellt: "Gibt es einen Gehörschutz, mit dem man vollkommen einschränkungslos alles Musikalische tun und genauso weiterbetreiben kann?" Den gibt es leider nicht. Dazwischen liegen die Nuancierungen und dazwischen wieder die Situation des Einzelnen und die Besonderheit der Belastung. Ich versuche dann, darauf eine Antwort zu finden.

Sie sind der Meinung, dass Lärm nicht unbedingt das Gehör schädigt, sondern dass zur Belastung auch immer Entlastung gehört. Was bedeutet das z.B. für einen Orchestermusiker oder den Sänger einer Band nach einem Konzert? Wie wirkt sich Lärm-Dauerstress auf unser Gehör aus?

Wesentlich ist, Entspannungstipps mitzugeben "mach Dir nicht zu viel Sorgen", einen sicheren Korridor aufzeigen, weil Stress als solcher im Übermaß grundsätzlich nicht gut ist für die Ohren.

Aber dies ist ja genau das Problem: Was ist das Übermaß?

Für die allermeisten ist der regelmäßige Diskobesuch oder der Besuch einer überlauten Konzertes überhaupt kein Problem. Wonach wir schauen müssen, sind Überlastungen unseres Systems, und das können wir überall im Alltag ...

... Ohrenpiepen?

Ja, das ist ein leiser Hinweis darauf, dass ich mir ein bisschen viel gegeben habe. Und wenn die Ohren dann ein bisschen nachhaltiger piepen, dann darf ich dies durchaus auch als Biofeedbacksignal interpretieren. Das tun auch manche Leute und fahren dann mal wieder ein bisschen runter. Nicht jeder kann das, oft liegt dies auch an beruflichen Zwängen.

Wenn die Überbelastung aber tatsächlich zu groß war, muss es auch einen Ausgleich geben.  Dies müssen wir immer wieder deutlich und bewusst machen, dass Erholung auch immer wieder bewusst und in dem Sinne auch aktiv geschehen muss.

..."aktiv" heisst, durch Bewegung?

Ja, aber auch, dass man sich Lärm bewusst entzieht. Schön, wenn man das z.B. durch einen Spaziergang macht. Muss nicht sein, aber dass man, genau wie im Leistungssport, auch versucht, die Phasen der Erholung, optimaler zu gestalten und da nicht auch noch alles mögliche aufhalst, wie z.B. mehrere Nebenjobs oder ein lautes Hobby.

Welche Vorteile haben Kunden der Mannheimer, die bei Ihnen einen Gehörschutz kaufen möchten?

 Zunächst einmal das Know-How, das wir haben, im Bereich der Versorgung von Orchestern, Bands, oder Musikern allgemein und das wir den Kunden der Mannheimer (im wesentlichen sind das in diesem Fall Orchesterkunden) "kostenlos" zur Verfügung stellen. Wir kommen zum Beispiel kostenlos für Workshops, Vorträge oder Moderationen zum Thema bei den Orchestern vorbei. Wenn darüber hinaus ein entsprechender Bedarf zu versorgen ist, dann stellen sich kaufmännische Fragen und dann hilft die Mannheimer über einen Bonus, der dem Orchester dann bei der Umsetzung der Versorgung ein bisschen hilft. Das ist jetzt kein Sponsoring, wie das im Musikbusiness häufig gewünscht wird oder auch von der Industrie gegeben wird, dass z.B. Instrumente oder der Gehörschutz etc. ganz umsonst sind. Das muss ich klar sagen, nicht, dass das jemand falsch versteht.

Da muss man auch Verständnis haben für alle Beteiligten. Der Versicherer hat das Interesse, dem Kunden eine vernünftige Gesamtleistung anzubieten, der Kunde hat das Interesse, einen zuverlässigen "Fahrplan" nicht nur für das Versicherungsgeschäft sondern ggf. auch für die Ohren zu finden und wir haben den Wunsch, dass wir über solche Kooperationen mehr Aufmerksamkeit für unsere Produkte und Leistungen, die wir erbringen können, erlangen.

Welche Themen werden Sie in den nächsten Monaten beschäftigen?

Aktuell ist die Situation so, dass man sich über "Hörgeräte" am Arbeitsplatz, über elektronischen Gehörschutz, Gedanken macht. Dafür Leitlinien, Vorgaben und Produkte für die Arbeitswelt, für die Berufsgenossenschaften zu entwickeln, die neueste Technik in den Gehörschutz mit einzubringen, das ist ein Projekt, das mich und viele andere auch ab Mitte des Jahres beschäftigen wird. Also insofern ein sehr interessanter Bereich, der sich gerade auftut, man muss fragen, sich die Dinge genau anschauen und dafür individuellere Lösungen finden.

Dies ist so zentral, dass ich mit den Standardantworten eigentlich keine Antworten mehr gebe. Das Hörvermögen sollte als etwas betrachtet werden, das Grundrechtscharakter hat und bei jedem Einzelnen sollte es möglichst gut sein und auch der Schutz sollte möglichst gut sein.

Ganz herzlichen Dank, dass Sie sich trotz der Lautstärke auf der Messe, mit Bundeswehrblasmusik im Hintergrund, die Zeit genommen haben, uns unsere Fragen zu beantworten!

   

                     

                                                                                                                         

Text von Isabelle  

 

  

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