Musikgespräche

Woodstock der Blasmusik

Blasmusik hat viele unterschiedliche Facetten. Liebhaber und Neufans finden seit 2011 beim 'Woodstock der Blasmusik' Gelegenheit, diese Facetten auszukosten oder kennenzulernen. Das Festival wächst von Jahr zu Jahr und wartet mit allerhand großen Musikernamen auf. SINFONIMA hat mit dem Hauptorganisator des Festivals, Simon Ertl, über das Festival und Blasmusik im Allgemeinen gesprochen.

Fotos| Bildrechte doeser Seite: © WDB / Klaus Mittermayr

Angenommen, man fragt einhundert Menschen in Deutschland nach ihrer Meinung zu "Blasmusik". Welche Antworten erwarten Sie?

Wir nehmen an, ein Großteil der Antworten fiele eher vernichtend aus. Viele haben das Bild von eher gemütlich anmutenden, älteren Männern vor Augen. Männer, die auf der Bühne der heimischen Kerwe im Ort ein ebenso gemütliches "ufftata" vor sich hinpusten. Sicherlich würden nur wenige die vielen Facetten der Blasmusik hervorheben, die unterschiedlichen Stile und Richtungen, die durch die Instrumente möglich sind. Wer denkt dabei, neben der traditionellen Blasmusik aus dem Festzelt, an Reggae, Ska, Funk, Soul oder Hip Hop? Überall dort können Blasinstrumente im Einsatz sein und gar nicht verstaubt klingen.

Dass Trompeten, Tuben, (Alp-)Hörner & Co. derart unterschiedlich eingesetzt werden können, wusste unser SINFONIMA Interviewpartner Simon Ertl schon lange. Seine Blasmusik-Affinität als studierter Trompeter (Konzertfach Trompete) schwappte spätestens nach dem ersten erfolgreich durchgeführten Blasmusik-Event auch auf sein Team über. Der Geschäftsführer der graustein*events gmbh im österreichischen Steyregg hatte nämlich vor einigen Jahren eine neue Idee: Blasmusikfeste gab es bereits, Blasmusik-Festivals jedoch nicht. Aus diesem Mangel und der Begeisterung für die Musik, entstand 2011 in Österreich das "Woodstock der Blasmusik"- Festival, das Ertl seitdem gemeinsam mit seinem Team erfolgreich veranstaltet. Ein mehrtägiges Riesenfest mit typischem Festivalcharakter sollte es sein, ähnlich den deutschen Rock am Ring oder Rock im Park. Tausende von Menschen, die gemeinsam feiern und tanzen, in Zelten und Wohnmobilen übernachten. Dies hat das Team geschafft: Heute ist das "Woodstock der Blasmusik" ein viertägiges Festival, bei dem die Zahl der Besucher von Jahr zu Jahr steigt und internationale Bands und Künstler aus ganz Europa, den USA und sogar Australien auf den Bühnen im Innkreis stehen.

Das Team um Simon Ertl legt Wert darauf, prinzipiell alle Facetten der Blasmusik abzudecken. Konkret heißt das: Das Festival erstreckt sich von klassischer Blasmusik der verschiedenen Richtungen böhmisch, mährisch, Oberkrainer und Egerländer über modernere Stile hin zu Soul, Funk, Hip Hop, Jazz oder auch Reggae. Bands werden gezielt für Auftritte angefragt aber Ertl betrachtet es als "Glück, dass darüber hinaus jedes Jahr Hunderte von Bewerbungen eintreffen. Somit können wir als Team gezielt aussuchen und entscheiden, wer auf dem Festival auftritt."

An jedem der vier Tage wartet das Festival mit einem besonderen Gast oder einer besonderen Band auf: 2017 sind dies z. B. Moop Mama aus Deutschland, die bereits eine Platte mit Jan Delay aufgenommen haben; die Lucky Chops aus den USA mit ihren lebendigen, lebensfrohen Beats; Fans der traditionellen Blasmusik können sich sicherlich über Ernst Hutter & Die Egerländer Musikanten freuen. Außerdem im Programm: der australische Jazz-Trompeter James Morrison; und für die klassisch studierten Musiker tritt Allen Vizzutti auf, "einer DER Konzertvirtuosen auf der Trompete, die es in den letzten Jahren gab", beschreibt Ertl stolz die Headliner. Kaum eine Spur von 'ufftata Rhythmen', sondern jede Menge tanzbare Musik für jeden Geschmack. Auf der Bühne überwiegt zwar das männliche Geschlecht vor dem weiblichen, was das Klischee des männlichen Blasmusikanten zunächst bestätigen mag. Dafür handelt es sich oft um sportliche Mittzwanziger, die genug Luft in ihre Lungen pumpen können, dass es sowohl für einen fetten Sound, als auch für genug Bewegung auf der Bühne reicht. Vor der Bühne soll sich der Bewegungsdrang selbstverständlich auf die bunt gemischten Besucher übertragen. Zu recht ist Ertl stolz darauf, dass seine Festivalidee so positiven Anklang gefunden hat. In den letzten Jahren steigerten sich die Besucherzahlen von 9.000 auf 40.000 Personen. Bemerkenswert ist, dass bisher jedes Woodstock-Festival sehr harmonisch und ohne Ausschreitungen verlaufen ist. Genauso, wie sein Namensvetter aus den amerikanischen 60ern.

Übrigens sieht Simon Ertl die Akzeptanz und Meinung über den Begriff "Blasmusik" gar nicht so schwarz. "In Deutschland ist eine höhere Akzeptanz allmählich spürbar und der Begriff gar nicht mehr so verstaubt, wie noch vor einigen Jahren, da Blasmusiker viel in die Crossover Richtung gehen. Ich hoffe, Festivals wie das 'Woodstock der Blasmusik' tragen dazu bei, der Blasmusik ein gänzlich positives Image zu verleihen. Das wäre für mich persönlich eine sehr große Bestätigung meiner Arbeit."

Unser Interviewpartner: Simon Ertl (*1981)

Als Kind wuchs er in der heimischen Landesmusikschule auf, begann folglich bald aktiv im örtlichen Musikverein zu musizieren. So hat sich die Affinität zur Musik früh und ganz natürlich gebildet.
Später entschloss er sich für das Studium Konzertfach Trompete an der Musikhochschule Wien. Gerne spielt er Stücke von Haydn, Hummel, Neruda oder Arutjunjan. Eines seiner Lieblingsstücke ist das Arutjunjan Trompetenkonzert.
Heute ist er Geschäftsführer der graustein*events gmbh in Steyregg (Österreich) und richtet unterschiedliche Konzertformate aus, darunter zum 7. Mal die Konzertreihe „Klassik am Dom“ , bei der Größen wie Jose Carreras, Jonas Kaufmann, Max Raabe, Elina Garanca oder auch Bobby McFerrin, Max Raabe, Paolo Conte oder Diana Krall bereits zu Gast waren.

 

Text von Isabelle

 

 

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