Musikgespräche

Quadrate aus Holz oder Feinpapier mit digitalem Kern

Ein Interview mit Klang²-Gründer Sebastian Oberlin

Manchmal vergehen 20 Jahre, bis man den richtigen Menschen findet. Einen Menschen, der von einer Idee genauso begeistert ist, wie man selbst, so dass man gemeinsam diese Idee weiterverfolgt und etwas Großes daraus erschafft. So erging es Sebastian Oberlin mit Adrian Rennertz. Die genauen Hintergründe erzählt uns Sebastian im Interview. Herausgekommen ist das Spiel klang² (gesprochen: klangquadrat), das zwei Welten miteinander verbindet: die Ästhetik von Tonholz und digitale Technologie. Das Memoryspiel besteht aus 20 Quadraten, die nicht nur die Merkfähigkeit trainieren, wie üblich, sondern gleichsam den Hörsinn und nebenbei ein Stück Kultur vermitteln.

Fotos dieser Seite (inkl. Teaser): Elli Lutz (ellilutz.de)

SINFONIMA: Sebastian, Du bist Geigenbauer, Adrian ist Medienkünstler. Gemeinsam habt ihr klang² entwickelt. Wie habt ihr euch kennengelernt und wie ist die Idee zu diesem Spiel entstanden?

Sebastian: Wir waren unabhängig voneinander mit Freundinnen spazieren und trafen uns zufällig im Wald. Unsere Begleitungen kannten sich von einem Tanzworkshop, Adrian und ich sind uns aber das erste Mal begegnet. Wir haben uns gleich gut verstanden, waren zusammen Kaffee trinken, haben herausgefunden, dass wir beide Musiker sind und über unsere unterschiedlichen Projekte erzählt. Kurze Zeit später haben wir dann mit Schlagzeug und E-Geige gemeinsam gejammed. Wir haben uns also zuerst über die musikalische Seite besser kennengelernt, bevor eine geschäftliche Verbindung daraus entstand.Ich erzählte Adrian von meiner Idee, die ich bereits vor 20 Jahren beim Straßenbahnfahren als Geigenbaustudent hatte: Damals gab es die Nokia Handys mit dem unverwechselbaren Midi-Sound, z.B. der Mozart - Sinfonie Nummer 40 von Mozart (singt sie mir kurz vor). Ein solches Handy klingelte also in der Bahn und ich dachte: „Solche Stücke sind immer aus Vorder- und Nachsatz aufgebaut, also quasi einer Frage- und Antwort. Und wie schön wäre es, wenn die Menschen die Stücke und die Namen der Komponisten miteinander verbinden könnten. Daraus müsste man irgendwie ein Spiel kreieren.“ Doch habe ich mich dann mehr auf den Geigenbau fokussiert, als diese Idee verfolgt und ich wusste auch nicht, wie ich die Idee umsetzen könnte. Und als ich dann nach so vielen Jahren Adrian davon erzählte, von dem ich wusste, dass er Sounddesigner und Medienkünstler ist, war er sofort begeistert von der Idee eines derartigen Memoryspiels. Adrian holte einige Platinen aus seiner Elektronikschublade. Wir bestellten noch verschiedene Einzelteile, bauten aus einem Geigenrücken eine Holzbox und Holzquadrate zusammen und löteten, programmierten, sägten, schnitzten und leimten, bis der Prototyp fertig war. Zuguterletzt nahmen wir noch mich mit der Violine auf, wie ich die Melodieteile einspielte, übertrugen diese auf unsere Box. Der Prototyp des Spiels klang² war da! (Foto: Links Sebastian Oberlin und rechts Adrian Rennertz)

War dann schon klar, dass ihr ein Unternehmen daraus gründen wollt?
Am Anfang war es erst einmal ein Projekt. Wir überlegten, wie man das Memoryspiel herstellen, wer es bauen kann, welche Möglichkeiten wir überhaupt haben, es aus Holz zu bauen und wie wir es am Anfang finanzieren könnten.
Dann merkten wir, dass das Konzept a + b = c (also Frage + Antwortmelodie = Sinfonie) übertragbar ist auf viele andere Themen und man viel mehr aus der Grundidee machen kann. Man kann das Konzept z.B. auf unterschiedliche Musikrichtungen anwenden oder auch z.B. auf Sprache oder Hauptstädte plus Länder, die gemeinsam eine Nationalhymne ergeben. Manchmal muss man ein bisschen um die Ecke denken.
Adrian ist ja nicht nur Medienkünstler sondern auch Programmierer und entwickelte dann eine App, mit der man unterschiedliche Spielmöglichkeiten hat und die mit dem Smartphone funktioniert. Gemeinsam haben wir fünf Spiele entwickelt. Als nächstes dachten wir uns: Okay, wir zwei Jungs müssen einen Weg finden, die Idee an die Öffentlichkeit zu bringen. Wir haben das Potenzial gesehen und wollten unsere Werte erhalten wissen und zum Beispiel hier in Deutschland oder Europa herstellen statt in Fernost. Wir hatten dann schon so viel Herzblut in dieses Projekt gesteckt, dass wir es auch nicht an einen Verlag oder ähnliches abgeben wollten.
Also starteten wir eine Crowdfunding-Aktion, eine 3-wöchige Kickstarter-Kampagne, mit dem Ziel 10.000 Euro zu generieren um einfach mal zu sehen „Findet das jemand cool? Kauft das jemand? Wieviel Geld sind die Leute bereit, da reinzustecken?“ Die analytische Komponente dieser Aktion war uns erst einmal bedeutsamer, als dass wir das Geld unbedingt direkt gebraucht hätten. Am Ende kamen aber dann sogar über 20.000 Euro zusammen.
So starteten wir eine kleine Produktion mit einem Hersteller aus der Nachbarschaft, hier im Schwarzwald, haben dann die Crowdfunding-Spender erst einmal bedient und kurz darauf kam eine Einladung von „Die Höhle der Löwen“, die uns dann auch ein bisschen mit Tipps gescoutet haben. Viele weitere Menschen, darunter Menschen aus Blindenvereinen usw. haben uns mit ihrem Feedback geholfen, das Spiel zu entwickeln. So wurde dann aus einem Projekt langsam eine richtige Geschäftsidee.

                                                                                   

Wie funktioniert das Spiel? Was kann der Spieler daraus lernen?
Sich auf spielerische Art und Weise dem Klang, der Musik und dem Gehör zu nähern, ist sozusagen die Essenz des Ganzen. Das ganze Spiel hat zwar eine optische Komponente mit Auflösung, denn durch das Umdrehen der Karte kannst Du auf dem Display des Smartphones Informationen über das Thema einholen, das gerade abgespielt wurde. Doch der Fokus liegt immer auf dem Hören.
Tatsächlich folgt der Grundgedanke des Spiels der Suzuki-Methode. Man nennt sie auch Muttersprachen-Methode, mit der man wie bei der eigenen Sprache über das Gehör und die Nachahmung ein Musikinstrument erlernt. Durch das Wiederholen entsteht daraus festes Wissen, z.B. beim Thema Länder und Hauptstädte; Nachdem man dieses Spiel ein paar Mal gespielt hat, muss ich nicht mehr überlegen, was die Hauptstadt von Namibia ist, sondern die Lösung haust in meinem Ohr und kommt einfach, beinahe intuitiv, herausgeschossen:Windhoek!

Unser eigener Auftrag ist nicht, Holzquadrate zu vertreiben, sondern es ist eigentlich vielmehr Kulturvermittlung. Ob es nun musikalischer Art ist oder geographischer Art etc. Uns gefällt die Idee, Themen, die so vielfältig und bunt sind wie die Welt, mit klang2 zu verbinden und ständig neue Themengebiete für sich entdecken zu können. Vielleicht entsteht sogar ein Austausch über eine Community, die klang2 mitentwickelt, oder weiterentwickelt. Es wäre doch ganz wunderbar wenn ein Bewusstsein bestärkt wird, dass die Welt nicht nur eine große schöne und bunte ist, sondern auch eine sehr klangvolle.


Aus welchem Holz bestehen die Spielkarten und woher stammt es?
Wir verwenden Klangholz aus Birne, Ahorn und Zypresse. Das Holz stammt aus Europa von Verwertern von Klangholz. Es muss gleichmäßig gewachsen sein, schließlich handelt es sich ja um ein Gedächtnisspiel. Unsere Hersteller sind im Schwarzwald und mittlerweile gibt es auch weitere, alle innerhalb Deutschlands, das war uns wichtig. Das Einzige, was doch in Fernost hergestellt w, sind die NFC-. Die Weiterverarbeitung des Tags geschieht wiederum in Italien.Es ist und war nie eine Option die Produktion irgendwohin auszulagern, wo die Löhne tiefer liegen. Wir möchten beweisen, dass man ein cooles Produkt sehr wohl in der eigenen Umgebung entwickeln und herstellen lassen kann, ohne auf seine Werte verzichten zu müssen.

Eine von drei Holz-Versionen: Klang² aus Birnenholz

Seit kurzem haben wir eine zweite Version von klang2 im Angebot: Die Buchbinder-Version. Hier bestehen die Spielquadrate nicht aus Holz, sondern aus Feinkarton. Das Spiel wird von Buchbindern in Baden-Württemberg hergestellt. Diese klang2-Version ist nicht ganz so reduziert designed wie die Holzversion, sondern ist aufgebaut wie ein richtiges Spiel, in einer quadratischen Stülpdeckelschachtel mit viel mehr Informationen auf der Rückseite und im Preis auch günstiger. Foto: Die Buchbinderversion von Klang²

Wie unterscheiden sich die beiden Versionen preislich?
Die Holzversion ist für 86,76 Euro erhältlich, die Buchbinderversion kostet 37,00 Euro.

Wo kann ich klang² erwerben?
In unserem Webshop klang2.com, bei Manufactum, Hugendubel, Weltbild, Müller und im stationären Einzelhandel.

Nach eurer Vorstellung bei „Die Höhle des Löwen“ könnt ihr euch momentan wahrscheinlich gar nicht vor Bestellungen retten, oder? Wieviel Zeit ist vergangen von der ersten Idee bis heute?
Ja, vor der Ausstrahlung waren wir eher hier im Lokalen bekannt aber nach der Ausstrahlung vor diesem Millionenpublikum hat das alles ziemlich an Fahrt aufgenommen. Es kamen Händleranfragen. Plötzlich wurde alles sehr echt. eine Firma, müssen produzieren, Leute einstellen, Arbeitsaufgaben verteilen usw. Das Ganze betreiben wir mit viel Herzblut und Elan.


Sebastian Oberlin und Adrian Rennertz bei "Die Höhle des Löwen", 2020.

Unser Ziel ist es, weiterhin Kultur zu vermitteln. Der Erfolg, den wir damit haben, leiten wir aus dem tollen Feedback derer Menschen ab, die unser Spiel gekauft haben und uns zurückmelden wie viel Spaß sie damit haben.
Zeitlich vergingen drei Jahre. Wir haben für klang2 ohne Gehalt gearbeitet. Der Drive kam einfach durch die Verfolgung unserer Idee. Ähnlich wie wenn man ein Musikinstrument baut, ist es einfach berauschend, wenn etwas aus dem Boden gestampft wird und man es später in den eigenen Händen halten darf.Es bleibt jedoch eine aufwendige Sache. Es braucht schon Durchhaltevermögen, wenn man etwas aus den eigenen Mühen hervorbringen möchte.

Kannst Du Deinen Beruf als Geigenbauer noch weiter ausführen oder bleibt dafür keine Zeit mehr?
Die Klangquadrate sind mittlerweile fester Bestandteil des Tages.Ich habe jemanden, der mich in der Werkstatt für den Geigenbau unterstützt. Zudem ist sie ziemlich breit aufgestellt. Der Bau von neuen Instrumenten kommt zwar etwas kürzer, aber es gibt immer Reparaturen und den Verleih von Streichinstrumenten. Die Werkstatt läuft weiterhin gut und Klang² steht nun als zweites Standbein da. 

 

Vielen Dank, Sebastian! SINFONIMA wünscht Dir und Adrian weiterhin ganz viel Erfolg und viele gute Ideen für weitere klang²-Spiele.

 

Interview und Text von Isabelle 

 
 
 

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