Musikgespräche

Wie aus Liebe zur Musik eine persönliche Liebe wurde

Boian und Olga sprachen über das anstehende Konzert in der Elbphilharmonie Hamburg, Erwartungen an einen jungen Musiker, die Liebe zur Musik und gaben außerdem auch Einblick in ihre persönliche Liebesgeschichte.   

Ein historisches Datum für euch: Am 13. November steht ein Konzert in der Elbphilharmonie Hamburg bevor. Ihr seid beide schon weltweit in bedeutenden Konzertsälen aufgetreten. Ist das Konzert in Hamburg dennoch ein besonderes für euch?

Beide: Klaaaaaaar! (beide lachen)

Boian: Der Saal ist einerseits fantastisch, ich war kürzlich dort. Die Akustik ist jedoch ein bisschen gefährlich, bedeutet: Man hört alles.

Olga: Das darfst Du Solisten gar nicht sagen. Ich war noch nicht drin! Zwei Wochen vor dem Konzert darf man das nicht sagen. (beide lachen)

Boian: Man hört wirklich von jedem Platz sehr gut, von manchen Plätzen vielleicht sogar etwas zu gut, denn man hört auch jede Kleinigkeit im Saal. Im Gegensatz z. B. zur Berliner Philharmonie. Dort ist es so, wie wenn ein klanglicher Samtschutzmantel existiert. Alles, was an Nebengeräuschen auf der Bühne passiert, bleibt auch dort. In Hamburg ist das Nebengeräusch überall im Saal. Aber der Saal ist fantastisch und die 2.100 Plätze ausverkauft.

Olga: Innerhalb von wenigen Stunden sogar!

Boian: Hamburg ist im Moment verrückt. Und eigentlich ist es dort im Moment besonders schwer, dort aufzutreten. Mir wurde gesagt, jede Veranstaltung in der Elbphilharmonie sei ausverkauft. Die Intendanz und das künstlerische Betriebsbüro haben die verantwortungsvolle Aufgabe, zu entscheiden, wen sie auftreten lassen und wen nicht. Jetzt ist die Zeit, ein Renommee zu setzen, die Marke z. B. "Elbphilharmonie - wir stehen für Exzellenz" zu positionieren und wenn man zu viel reinlässt, was niveautechnisch schwankt, besteht die Gefahr eines schlechten Rufs. Insofern muss sie unglaublich restriktiv sein. Vor dem Hintergrund war es für uns eine Riesenüberraschung, als die Mannheimer Philharmoniker vom künstlerischen Betriebsbüro abgesegnet wurden und es hieß, wir sind dabei und eingeladen. Eine unglaubliche Freude!

Wie kam es aber ganz allgemein zu dem Konzertengagement? Musstet ihr euch als Orchester bewerben oder kam die Anfrage von der Elbphilharmonie selbst?

Boian: Neben der Elbphilharmonie selbst als Veranstalter gibt es nur noch ganz wenige weitere die dort Konzerte veranstalten dürfen. Die Einladungen werden also ganz restriktiv gehandhabt. Jeder der Veranstalter muss, wenn er jemanden dort spielen lassen möchte, zunächst die Zustimmung von einer Art künstlerischen Kommission erhalten. Ich kenne viele großartige A-Orchester, die dort hätten spielen wollen aber dann hieß es "nicht mit diesem Programm", lieber mit zeitgenössischer Musik etc." Sie sind also ziemlich bestimmend. Meine Agentin hatte unser Konzert dort vorgeschlagen und dann musste es erstmal den Veranstalter überzeugen und im Anschluss noch die künstlerische Kommission. Normalerweise läuft es ja so, dass der Veranstalter entscheidet, was er will und dann macht er das. Wir haben also alle gezittert. Wir sind ein junges Orchester, ohne Riesenrenommee, das Beethovens 5. spielen will. Außer dem Sibelius, einem Stück mit wundervollen Klangfarben spielen wir ein Standardrepertoire. Man erwartet das vielleicht von den Münchner oder Berliner Philharmonikern aber nicht von uns.

Ihr spielt an diesem Abend mit dem Orchester ein Programm bestehend aus drei Meisterwerken: Jean Sibelius Pelléas et Mélisande, Schumanns Klavierkonzert und Ludwig van Beethovens 5. Sinfonie. Wer entscheidet über das Programm? Stellst Du, Boian, das Programm zusammen? Haben Orchester und/oder Solist Mitspracherecht?

Olga: Ich als Solistin klar, habe Mitspracherecht. Wenn ich mich unwohl mit dem Programm fühle, nehme ich die Anfrage nicht an. Jeder Solist hat ja ganz bestimmte Kompetenzen und Neigungen. Ich wurde gefragt, ob ich an diesem Tag frei wäre und ob ich den Schumann spielen könnte. Und übrigens, es sei in der Elbphilharmonie. (lacht)

Boian: Klar, als Chefdirigent entscheide ich über das Programm eines Orchesterkonzerts. Ich habe eine starke Verbindung zu Beethoven, ich wollte unbedingt einen Beethoven spielen, entweder die 5. Symphonie oder die Eroica. Letztendlich wurde es dann die Fünfte. Und das Orchester spielt sie einfach mit einem gewissen Drive. Man spürt das Feuer und die Jugend darin. Sie klingt frisch und ist ja auch als Schicksalssymphonie berühmt geworden. Ich finde aber, es sind nicht unbedingt diese berühmten vier Schläge, sondern viel mehr spürt man durchgängig diesen Drang, etwas, das Dich gegen den Abgrund schubst. Das ist für mich das Schicksalsbild im ersten Satz dieses Werkes.

Mir ist wichtig, dass die Mannheimer Philharmoniker Standardrepertoire spielen. Oft wird das kritisiert aber ich sage, eigentlich ist das genau richtig für alle jungen Musiker, die gute Stellen bekommen wollen. Bei den Probespielstellen können sie sich am besten präsentieren und von anderen Mitbewerbern hervorheben, wenn die Orchestererfahrung in ihrem Spiel hörbar ist. Dafür ist die Erfahrung bei den Mannheimer Philharmonikern essentiell.

Olga: Ja, man muss symphonische Kompetenz haben. Sie kommt nicht von alleine, sondern muss aktive erfahren werden.

Was ändert sich genau durch Orchestererfahrung?

Boian: Es ist z. B. wichtig zu merken, dass man nicht die ganze Zeit die Melodie hat. Zwei Takte bin ich wichtig, dann muss ich auf die Mitspieler hören, dann bin ich wieder wichtig.
Manche Musiker kommen und spielen vor, als sei ihre Orchesterstimme ein Solostück. Nachdem sie dann eine Woche mit dem Stück im Orchester verbracht haben, merkt man, dass sich die Sichtweise geändert hat. Und das merkt jedes Orchester sofort. "Weiß er, was er gerade macht, weiß er, welche Funktion er im Orchester hat oder spielt er das einfach nur gut und hat eigentlich keine Ahnung vom Stück? Man erwartet, dass ein neuer Kollege sich sofort integriert und zwar jung ist aber die Kompetenzen eines Fünfzigjährigen mitbringt. Und um diese Schere zu schließen, dafür sind die Mannheimer Philharmoniker da. Es sind schon 120 Musiker in tolle Stellen gekommen, von insgesamt etwa 250. Viele kommen auch wieder, kriegen eine Stelle in einem Orchester mit renommiertem Dirigenten und dann rufen sie eines Tages an und möchten Wiederkommen und mit der "neuen Generation" zusammen spielen. Es ist ein sehr schönes, familiäres Verhältnis.


Besucher von Konzerten in der "Elphi" sowie die Presse bewerten die Akustik teils sehr negativ. Konntet/könnt ihr den Saal vorab testen? Wie wirkt die Akustik auf euch? Was musst Du, Olga, speziell im Klavierspiel beachten?

Olga: Wir können ca. 60 Minuten vor dem Konzert im Saal proben. Das ist aber üblich, speziell in großen Konzertsälen. Ich versuche aber nicht darüber nachzudenken, ob die Akustik gut oder schlecht ist. Ich versuche mich einfach darauf einzustellen und probiere es vor dem Konzert aus. Die Akustik kann man nicht ändern, man kann nur sein eigenes Spiel daran anpassen. Meine Aufgabe ist es, die vorherrschenden Gegebenheiten bestmöglich zu nutzen um meine Interpretation erklingen zu lassen. Der Saal ist großartig und es wird sicher ein toller Steinway Flügel dort stehen. Ich freue mich sehr auf das Konzert und auf die Herausforderung. Ich spüre in mir eine aufregende und inspirierende Vorfreude. Es wird ganz sicher eine wunderbare Erfahrung werden!

Videnoff und Zado, mittlerweile verheiratet, sprechen zu meiner Überraschung englisch miteinander. Auf Nachfrage antworten sie:

Olga: Das war unsere gemeinsame Sprache als wir uns kennenlernten. Es fühlt sich natürlich an, englisch miteinander zu sprechen und so ist es auch zuhause geblieben.

Boian: Wir haben uns in Siena auf der Piazza kennengelernt. Das war total witzig und romantisch. Im Sommer finden dort immer Meisterkurse an der renommeirten Accademia Musicale Chigiana statt. Ich habe dort fünf Jahre studiert, Olga war auf der Durchreise. Sie hatte mit einem berühmten Cellisten Kammermusik gespielt und auf der Piazza, wo viele Musiker sich treffen und musizieren, lernten wir uns kennen.

Welche Sprache würden eure gemeinsamen Kinder sprechen, Du bist gebürtiger Bulgare Boian und Olga, Du kommst aus der Ukraine. Ihr lebt aktuell in Deutschland, sprecht aber Englisch miteinander...

Olga: Die sprachliche Erziehung würde sehr gemischt sein. Mir wäre Russisch wichtig, da Literatur und Kultur so viel zu bieten haben. Es wäre schade, wenn sie dies nicht voll erleben könnten.

Boian: Für mich wäre wichtig, dass sie italienisch lernen, weil ich die ersten Jahre meines Lebens in Italien aufgewachsen bin . Zuhause wurde italienisch und bulgarisch gesprochen. Bulgarisch und Russisch sind sich ähnlich. Deutsch war dann in Deutschland nie ein Problem, weil ich hier in die Schule gegangen bin. Deutsch wird dann wahrscheinlich auch für unsere Kinder das einfachste sein, weil wir hier leben, die Kinder in den Kindergarten und die Schule gehen würden. Das läuft dann ganz automatisch und von alleine. Mir wäre es wichtig, dass die Kinder, wenn möglich, auf eine zweisprachige Schule gehen. Ich selbst war auf einem Deutsch-Französischen Gymnasium und find das toll.

Wie ist es für euch beide, Berufs- und Privatleben miteinander zu teilen?

Boian: Ich finde, das Schöne bei uns ist, dass wir uns beruflich kennengelernt haben.

Olga: Genau, wir haben zuerst zusammen gearbeitet, bevor wir zusammen waren.

Boian: Ich hörte Olga spielen, fand das Spiel fantastisch und brauchte jemanden, der beim Brahms Klavierkonzert Nr. 2 einspringt. Ein sehr schweres Klavierkonzert, das vor allem auch selten von jungen Pianisten gespielt wird. Schwer zugänglich, nicht das Stück, mit dem man auf Anhieb den großen Erfolg vom Haus erhält, weil es sehr symphonisch geschrieben ist und nicht den Eindruck macht, "Wow, das ist pianistisch total fulminant" obwohl es eigentlich unglaublich schwer ist. Deshalb bevorzugen meist ältere Musiker dieses Stück und demnach ist es unglaublich schwer, junge Pianisten für dieses Klavierkonzert zu finden. Aber ich habe Olga spielen gehört und sie gefragt, ob sie einspringen möchte. Ihre Antwort: "Ich habe es noch nie gespielt, ich brauche ein Jahr Vorbereitungszeit". "Du hast fünf Wochen", erwiderte ich. "Okay, ich möchte eine Nacht drüber schlafen".

Olga: Am nächsten Tag rief ich ihn an und sagte JA. (beide lachen) Ich nehme gern Herausforderungen an und diese war spannend.
Boian: Sie hat es ganz toll geschafft und so begann unsere Zusammenarbeit. Daraus wurde dann beste Freundschaft und daraus dann Liebe (beide lachen).

Olga: In unserem Beruf ergibt sich ganz oft zwischen Paaren die Situation, eine Zusammenarbeit aus verschiedensten Gründen erzwingen zu wollen. Das ist bei uns nicht der Fall. Es ist natürlich entstanden und es macht ganz viel Spaß.

Boian: Genau. Meistens ist es so, dass ein Paar sagt: Jetzt wo wir zusammen sind, lass uns auch gemeinsam Musik machen. Das ist bei uns genau anders herum. Wir lernten uns über den beruflichen Weg kennen und haben uns sehr gemocht, wir haben eine ähnliche Interpretation und ein blindes Verständnis. Dies schrieb sogar mal der Mannnheimer Morgen in einem Artikel "man hat das Gefühl, das Spiel war blind aufeinander abgestimmt". Das trifft es haargenau. Und dass aus der musikalischen Liebe noch eine persönliche Liebe wurde, stärkt das Ganze noch.


Liebe Olga, lieber Boian, vielen Dank für das offene Gespräch mit euch! SINFONIMA wünscht euch ein klangvolles Konzert in der Elbphilharmonie.  

 

 

Text von Isabelle 

 

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