Ratgeber

Orchestermediatorin Angelika Kutz

Wenn im Orchester Konflikte aufkommen, die von den Beteiligten alleine nicht zu lösen sind, dann kann es helfen, eine/n Mediator/in zur Hilfe zu holen. Angelika Kutz LL.M. hat sich u.a. auf Orchester-Mediation spezialisiert und kann durch ihren objektiven Blick dabei helfen, dass die Beteiligten ihre Konflikte eigenverantwortlich auf einer konstruktiven Ebene betrachten, entschärfen und letztendlich lösen.

 

 

Angelika Kutz LL.M. hat beruflich wie privat einiges anzubieten: Sie ist Rechtsanwältin, Mediatorin (Master of Mediation) und Diplomkulturmanagerin und spricht dazu fließend Englisch und Spanisch. In ihrer Praxis für Mediation & Coaching in Hannover bietet sie Mediationen, Coachings und Qi-Gong-Kurse (siehe auch Download-Bereich), auch als Stress- und Burn-Out-Prävention, an.
Als Versicherer von Orchestern interessierte uns speziell Frau Kutz' Erfahrungsschatz als Mediatorin. Auf der Musikmesse Frankfurt sprachen wir mit ihr darüber, welche Konflikte typisch für Orchester sind, welche Grundvoraussetzungen gegeben sein müssen, damit Mediation überhaupt funktionieren kann und welche Ziele sie in der Zukunft anstrebt.

Sie verstehen es, Menschen auf einen Kommunikationsweg zu bringen, der für beide Seiten akzeptabel ist. Da Sie selbst seit vielen Jahren Geigerin sind, haben Sie sich u.a. auf Orchester-Mediation spezialisiert. Weshalb brauchen speziell Orchester Unterstützung in diesem Bereich?

Speziell Musiker sind auf gelungene Kommunikation im zwischenmenschlichen und musikalischen Bereich angewiesen. Konflikte belasten Musiker deshalb in besonderer Weise, weil ein harmonisches Zusammenspiel bei zwischenmenschlichen Unstimmigkeiten und Zwistigkeiten deutlich schwieriger ist. Bei Störungen durch Konflikte geht neben der Qualität des Arbeitsergebnisses vor allem die Spielfreude verloren, was bei Anhalten der Situation nicht nur den Spaß an der Arbeit nimmt, sondern die Musiker mittel- und langfristig auch krank macht. Wer auf Dauer in konfliktbelasteten Arbeitsverhältnissen arbeitet bzw. arbeiten muss, wird mittel- bis langfristig gesundheitliche Probleme bekommen. Rechtzeitig eingeleitete Konfliktentschärfungs-Unterstützung durch Mediation ist ein wirksames Gegenmittel.

Ich persönlich habe das erste Mal von der Spezialisierung auf Orchester-Mediation gehört. Ist es innerhalb Musikerkreisen bekannt, dass es Menschen wie Sie gibt, die genau für solche Probleme ausgebildet wurden?

Glücklicherweise wird die Methode der Mediation auch unter Musikern immer bekannter und zunehmend in Anspruch genommen. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn Mediation schneller, sprich rechtzeitiger als unterstützende Maßnahme von außen in Anspruch genommen würde. Denn leider warten viele Beteiligte und Einrichtungen immer noch viel zu lange, bevor ein externer Mediator eingeschaltet wird. Ich rate daher immer, einen externen Mediator vor allem als Präventivmaßnahme so früh wie möglich, schon bei aufkeimenden Unstimmigkeiten, hinzuzuziehen und nicht erst zu warten, bis der Konflikt richtig eskaliert. Es ist nämlich ein Irrglaube, dass sich Unstimmigkeiten von alleine erledigen. Das Gegenteil ist der Fall, denn ein Missverständnis wird schnell zu einem ernsthaften Konflikt. Und Konflikte greifen erfahrungsgemäß auf andere, zunächst Unbeteiligte über. Ich spreche gerne vom Streuen. In einem Orchester sind so schnell mehrere Dutzend Musiker, wenn nicht sogar mittelfristig das ganze Orchester betroffen. 
Der Fairness halber muss man aber auch dazu sagen, dass viele Einrichtungen die Mediation zunehmend, und auch frühzeitig, anregen und ihren Mitarbeitern und Musikern als Lösungsunterstützung vorschlagen; die Einrichtungen sind aber auch darauf angewiesen, dass die Streitbeteiligten wirklich etwas an ihrer Situation verändern wollen. D.h. ohne einen wirklichen Verhandlungs- und Veränderungswillen auf Seiten der eigentlichen Streitparteien kann eine Institution trotz eigenen guten Willens in Bezug auf die Methode der Mediation nichts machen.

In der Zeitschrift für Konfliktmanagement (4/2007) beschreiben Sie gemeinsam mit Diplom-Psychologe Heiner Krabbe einen - wie mir scheint, besonders schwierigen Konflikt innerhalb eines Orchesters, den Sie gemeinsam gelöst haben. Ausgangspunkt war die Kürzung öffentlicher Gelder, die dazu führten, dass 15 Stellen gestrichen werden sollten. Es stand also für viele die Existenz auf dem Spiel. Klagen wurden angedroht, die Presse informiert, das öffentliche Ansehen des gesamten Orchesters litt erheblich. Gibt es Probleme, die sich nicht durch Mediation lösen lassen? Mussten Sie dies bereits einsehen?

Eine der Grundvoraussetzungen, dass Mediation funktionieren kann, ist, dass die Beteiligten einen Verhandlungsspielraum haben. D.h., bei Fallkonstellationen, in denen das Ergebnis für eine oder mehrere Seiten von vornherein feststeht, ist grundsätzlich eher ungeeignet für das Verfahren der Mediation. Es ist nur dort angezeigt, wo die Rahmenbedingungen Verhandlungsspielraum zulassen und alle Beteiligten auch wirklich verhandlungsbereit sind. Dies kläre ich allerdings bereits im Vorfeld mit den Beteiligten, so dass ich auch dahingehend berate, dass Mediation als Verfahren für Fälle, in denen diese Grundvoraussetzungen nicht gegeben sind, eher ungeeignet ist, und die Kunden auch über alternative Möglichkeiten nachdenken sollten. Mediation ist ja kein Allheilmittel, sondern bringt den Beteiligten nur dort einen Mehrwert, wo sie Einfluss auf die Lösung haben und vor allem auch nehmen wollen.

Welche Eigenschaften der Teilnehmer behindern eine erfolgreiche Mediation?

Bitte lassen Sie mich es so formulieren. Damit Mediation gelingt, sind der erwähnte Verhandlungsspielraum in der Sache und allseitige Verhandlungsbereitschaft erforderlich. Letztere hängt im Grunde vom Willen der Beteiligten ab und ist als solche auch grundsätzlich von den Beteiligten verstandesgemäß steuerbar. Schwierig für die Betroffenen wird es dann, wenn sie im Grunde vielleicht sogar verhandeln möchten, aber aufgrund persönlicher Erfahrungen, die mit der konkreten Situation evtl. gar nichts zu tun haben, einfach aufgrund unbewusster Prozesse blockiert sind, sich wirklich auf eine Verhandlung einzulassen. Dies berührt dann auch schnell tiefenpsychologische Vorgänge, die es als Mediator zu beachten gilt. Auch da gibt es allerdings Möglichkeiten, mit Hilfe von zusätzlichen Methoden den Medianten zu einer Chance auf eine Lösung zu verhelfen. Dies erfordert allerdings sehr genaues Methodenwissen, verantwortungsbewusstes Vorgehen und viel Erfahrung des Mediators.

Sie arbeiten nicht nur mit Orchestern, sondern auch mit Privat- und Geschäftspersonen zusammen. Ähneln sich die Konflikte, zu denen Sie gerufen werden, obwohl die Branchen unterschiedlich sind?

Wo Menschen zusammenkommen und zusammenarbeiten, gibt es unterschiedliche Interessen, für die eine Lösung ausgehandelt werden muss, damit alle Beteiligten mit dem Ergebnis zufrieden sein können. Geht bei diesem Aushandlungsprozess etwas schief, sind Konflikte vorprogrammiert. Im Arbeitsleben wie im Orchester geht es einerseits um rein arbeitsorganisatorische Fragestellungen und andererseits um allgemeine menschliche Bedürfnisse. Zwar haben Orchester besondere Arbeitsabläufe und dadurch ganz spezielle Herausforderungen. Im Grunde ähneln sich die Problemlagen aber. Unternehmen wie Orchester sind hierarchische Gebilde, die nach ähnlichen Mechanismen funktionieren. Und natürlich begegnen uns die allgemeinen menschlichen Interessen und Bedürfnisse nach Anerkennung, Einbindung, Mitsprache, Respekt und Wertschätzung immer wieder. Werden sie verletzt, führt dies zu Konflikten. Insofern: Besonderheiten bei Orchestern ja, um die man auch wissen muss, aber im Grunde sind die menschlichen Empfindlichkeiten dieselben. Allenfalls aufgrund der bei Musikern noch gesteigerten Sensibilität in einer noch stärkeren Ausprägung.

Wir führen das Gespräch auf der Musikmesse. Was sind Ihre Beweggründe, hier zu sein? Inwiefern nutzen Sie die Messe? Planen Sie, auch im nächsten Jahr hier zu sein?

Ich habe durch Ihre Interviewanfrage erstmals von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Musikmesse kennenzulernen. Ich bin sehr gespannt, was mich hier erwartet und werde mich neugierig umsehen. Es wird sich dann zeigen, ob es thematische Berührungspunkte gibt und sich interessante Gespräche ergeben. Vielleicht ergibt sich dann ein Anschlussbesuch, ja.

Was sind Ihre Ziele für das laufende Jahr?

Vor allem meinen weiteren Schwerpunkt, das Einzel-Coaching, sowohl im Geschäfts- als auch im Musik-Umfeld noch weiter auszubauen. Und natürlich Mediation im Musik- und Orchesterbereich weiter bekanntzumachen sowie durch Vorträge, Workshops etc. aufzuzeigen, was fehlgeleitete Kommunikation und nicht ausgeräumte Konflikte für Folgen für die Beteiligten und die Qualität ihrer künstlerischen Arbeit haben. Ganz zu schweigen von den negativen Auswirkungen von Konflikten auf das persönliche Wohlbefinden und die Gesundheit der Beteiligten und Musiker.


Ganz herzlichen Dank für das ausführliche und interessante Gespräch mit Ihnen, Frau Kutz.

 

 

Text von Isabelle

 

 

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