Musikgespräche

„Manchmal braucht man jemanden, der uns an die Hand nimmt und ein bisschen in die richtige Richtung stupst“

Ein SINFONIMA-Interview mit Stefan Arzberger

Obwohl wir uns nie zuvor persönlich gesehen haben, erkennen Stefan Arzberger und ich uns einander sofort im Eingangsbereich der Musikhochschule Mannheim, wo er seit 2017 als Gast-Professor für Violine unterrichtet (Anm. d. Red. Mehr zu seinen weiteren beruflichen Standbeinen siehe unten). Pandemiebedingt darf ich mich als Externe jedoch nicht in der Musikhochschule aufhalten, so dass wir uns spontan entscheiden, einen Kaffee auf die Hand zu besorgen und unser Interview im Park zu führen. Bei 8 Grad Celsius, wie wir erst später feststellen, weil wir anfangen zu frieren. Stefan Arzberger wirkt unkompliziert, nahbar und offen, so dass sich die Unterhaltung direkt vertraut anfühlt. Wir sprechen über sein Engagement für Geflüchtete in mehreren Ländern der Welt, über Mäzene, Meisterinstrumente und seine weiteren Leidenschaften, die er neben der Musik besitzt.

Stefan Arzberger mit seiner Domenico Montagnana, Venedig, gebaut 1746 (Fotos dieser Seite: Geoffroy Schied)

SINFONIMA: Sie engagieren sich seit mehreren Jahren gemeinsam mit weiteren Ehrenamtlichen in mehreren Musikprojekten, darunter „MUSIC CONNECTS“. Darüber würde ich gern mehr erfahren. Was ist das Ziel von MUSIC CONNECTS und welche Projekte verfolgt der Verein aktuell?
SA: Music Connets ist eine Folgegeschichte einer anderen Geschichte. Die Vorgeschichte heißt „Concerts for a world in motion“, einer Initiative von mir, die ich vor ungefähr vier Jahren ins Leben gerufen habe. In dieser ging es darum, Konzerte für Flüchtlinge zu spielen, und zwar dort, wo Flüchtlinge sind, nicht hier in Deutschland. Dies betrifft Länder wie Jordanien, eines der Länder mit der größten Flüchtlingsdichte; dies betrifft Uganda und wir hatten darüber nachgedacht, nach Kurdistan oder in den Libanon zu gehen. Das Pilotprojekt fand dann letztendlich wirklich in Jordanien statt, wo fünf Musiker, darunter ich, hingereist sind. Unterstützt wurde das Projekt finanziell durch die deutsche Wirtschaft, um dort zunächst in einem der Settlements für Flüchtlinge ein Konzert zu spielen. Das war atemberaubend. Erstens, weil man als Normalbürger dort normalerweise nicht hinkommt, zweitens, weil das Settlement so eine gewaltige Dimension hat, die man nicht ermessen kann, wenn man die Bilder im Fernsehen sieht.  

Pilotprojekt Jordanien (Copyright: Geoffroy Schied)

Was passierte nach dem Konzert? Gab es Pläne, die langfristig etwas in diesem Land bewirken?
Um nach dem Konzert langfristig dort etwas zu bewirken, haben wir dort einen Musiklehrer gefunden, den wir noch immer finanzieren. Er hat dort Musikunterricht für Flüchtlinge aufgebaut.

Und Sie erwähnten ein zweites Projekt?
Die zweite Geschichte war in Uganda, im Flüchtlings-Settlement Bidibidi. Im Prinzip sind wir dort genauso vorgegangen wie in Jordanien. Gemeinsam mit dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, der Deutscher Botschaft Uganda und Partner der Deutschen Wirtschaft haben wir vor Ort versucht, herauszufinden, wie wir am besten helfen und etwas bewirken können.

Zunächst wurden viele Gespräche im Flüchtlingscamp Bidibidi geführt (Copyright: Geoffroy Schied)

 

 Kennenlernen und Gespräche über das, was gebraucht wird 
 (Copyright: Geoffroy Schied)

Wir haben mit vielen Refugees gesprochen, mit den NGO’s vor Ort. Dann ist mir die Idee gekommen: Man müsste eine mobile Lösung generieren, denn es gibt keinen öffentlichen Nahverkehr und keine Transportmöglichkeiten, außer Fahrräder und diese kleinen Mopeds. Vereinzelt gibt es Fahrzeuge aber die Straßen bestehen hauptsächlich aus Sand und sind schwer zugänglich. Bidibidi hat eine Ausdehnung von fast 80 Kilometern, aufgeteilt in fünf Zonen, die kaum oder gar nicht miteinander in Kontakt stehen. Zone 1 hat zum Beispiel sehr wenig zu tun mit Zone 5. Aus diesem Grund kam ich auf die Idee eines Multimedia Trucks, der alles Mögliche beinhaltet: ein Tonstudio, eine Bühne, ein Kino, alles drum und dran. Er fährt in einem regelmäßigen Turnus durch das Settlement und bietet den Flüchtlingen die Möglichkeit, sich selbst und Instrumente auszuprobieren, sich auszudrücken, zu lernen, z.B. im Bereich Sound-Engineering, sich fortbilden zu können, Musik aufnehmen und auf Youtube hochladen usw. (Anm. d. Red. Der Truck ist derzeit als „LAB-Uganda“ im Einsatz)

Meine Kollegin Verena (Anm. d. Redaktion: Verena-Maria Fitz, Violinistin Bayerisches Staatsorchester) hat zufällig im Internet die Ausschreibung des Auswärtigen Amtes gefunden, für kreative Mittel. Wir haben den Antrag geschrieben und die Zusage bekommen. Aus „Music for a world in motion“ wurde dann „Music Connects“, um eine einheitlich Marke zu haben und alles unter einem Dach zu führen. Der Truck ist nun in den Händen der Organisation „Brass for Africa“, die das Projekt als Implementierungspartner weiter und vor Ort betreuen und dort eine Schule für Brass-Instrumenten-Musikunterricht aufbauen.
Jetzt überlege ich derzeit, wie wir in Kurdistan ein Projekt ähnlicher Art ins Leben rufen können, das wieder die Elemente „Education, Arts, Musik und Multimedia“ beinhaltet, die wir zu den Menschen bringen können.  

Nach welchen Kriterien haben Sie die Maßnahmen und Angebote für Flüchtlinge ausgewählt? Wie haben Sie den Bedarf und Wünsche erkannt?
Ich halte es für eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe, die Menschen zu unterstützen, die nicht hierherkommen und hier leben können. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer für einen Menschen im Settlement sind 7-15 Jahre. Stellen Sie sich vor, Sie kommen zum Beispiel als Kind mit 7 Jahren dorthin und verlassen den Ort mit 23 Jahren. Die wichtigsten Jahre des Lebens sind dann verloren.
Man glaubt ja immer zu wissen, was den Menschen guttut. Aber man geht immer von einer eigenen Perspektive aus. Letztendlich muss sich mit den Leuten unterhalten und herausfinden: Was brauchen sie eigentlich wirklich? Helfen jetzt Dinge, von denen wir glauben, dass sie gebraucht werden? Und wenn man zum Beispiel elektronische Geräte zur Verfügung stellt: Gibt es überhaupt schon das Wissen darüber, wie sie eingesetzt werden können? Kann aus einer Idee ein eigener Wirtschaftszweig entstehen? Das zieht wiederum ganz viele Dinge nach sich, die man als Außenstehender nicht unbedingt kennt: Es gibt zum Beispiel ganz klare Regeln, die man einhalten und befolgen muss. Die UNHCR hat z.B. das Mandat für die Flüchtlinge und gibt die Regeln vor, das ist sehr wichtig, damit alles koordiniert abläuft. Die Arbeit ist aus unserer Perspektive vielleicht nicht immer erkennbar aber vor Ort leisten die Menschen sehr viel. Ich würde mir wünschen, dass viel mehr junge Menschen hier aus Europa die Möglichkeit bekommen, dort vor Ort mit anzupacken und sich für Flüchtlinge einsetzen. Und umgekehrt, Leute hierherzuholen, um ihnen Werkzeuge mit auf den Weg zu geben, um ein besseres, erfüllteres Leben leben zu können, ohne ihnen dies aufzudrängen, der Ansatz muss „selbstbestimmt“ sein.

Den Ansatz kann ich gut nachvollziehen. Schwierig zu verstehen finde ich: Wenn doch jemand gar nicht weiß, was ein Kino ist oder keine Orchesterinstrumente kennt, wie können die Menschen dann ihren Bedarf benennen?
Die Leute sind ja nicht die Ärmsten der Armen, sondern sie kommen oft auch aus der Mittelschicht. Sie kennen Handys und Kino und können auch gut damit umgehen. Sie haben Zugang zum Internet, es sind zum Teil Lehrer, Universitätsgelehrte.
Interessant war die Frage vieler Menschen: Was ist denn mit uns, die kein Talent haben? Das war ein Weckruf und wir haben geschaut, wie man dann unterstützen kann. Nicht jeder hat künstlerisches Talent, nicht jeder kann und will Musiker werden. Es galt herauszufinden, wo die Interessenlagen und deren Talente sind. Wer kann was? Wem kann man wie helfen? Der eine ist talentiert im technischen Bereich, der andere im Bereich Foto oder Video. Der Truck muss zum Beispiel gefahren und aufgebaut werden, genauso wie die Bühnen, das gehört alles zusammen. Auch in Europa geht kein Künstler allein auf die Bühne, es gehören viele Menschen im Hintergrund dazu, die alles Drumherum regeln, das nimmt nur das Publikum oft nicht so wahr.

Was motiviert Sie, Ihre Zeit und Ihre Kraft ehrenamtlich einzusetzen?
Ich habe im Leben eine bekannte Periode hinter mir - 1,5 Jahre USA- seit der ich weiß, wie es sich anfühlt, ohne Reisepass und ohne Perspektive zu sein. Das fühlt sich nicht besonders gut an und ich habe mir gedacht: Ich bin einer der Privilegierten. Ich konnte wieder weg, ich konnte meinen Beruf wieder aufnehmen (zwar mit Schwierigkeiten, aber immerhin). Aber durch diese Erfahrung glaube ich, eine Ahnung davon zu haben, wie sich jemand fühlen muss, der diese Perspektive nicht hat. Ohne Pass, vielleicht mit Refugee-Status, vielleicht Migrant, derjenige ist „stuck in the limbo“. Das ist eine Sache, die total auf die Psyche geht, und am Ende nehmen sich wahnsinnig viele das Leben, weil sie keine Perspektive haben.
Die Projekte bestehen alle darin „Perspektiven schaffen durch Inhalte“, durch Musik oder Kunst. Das ist das Hauptziel. 

Meinen Mitstreitern und mir liegen diese Projekte sehr am Herzen. Wir haben alle unser Herzblut und unsere private Zeit und privates Geld investiert und wir möchten natürlich, dass wir nachhaltig etwas bewirken.

Stefan Arzberger mit seiner ebenso engagierten Music Connects Kollegin Verena-Maria Fitz (Violinistin / Bayerisches Staatsorchester) (Copyright: Geoffroy Schied)

Jetzt haben wir viel über Ihre Ideen und Ihr Engagement für andere gesprochen. Wie sind Sie selbst zur klassischen Musik gekommen und wir wurde daraus Ihr Berufswunsch „Musiker“? Oder hatten sie zunächst ganz andere Berufswünsche?
Meine Mutter ist Gitarrenlehrerin, meine Schwester Pianistin. Es gehörte damals in einer gutbürgerlichen Familie einfach dazu, ein Instrument zu lernen.
Ich hatte viele Berufswünsche. Musiker bin ich deshalb geworden, weil es in der DDR –dort bin ich aufgewachsen- eine intensive Frühförderung gab. Wer begabt war und wenn dies erkannt wurde, wurde dies auch entsprechend gefördert. In die Schulen zu gehen, dort die Talente aussuchen und ihnen die Möglichkeit geben, ihre Talente zu entwickeln, das war zwar typisch DDR. Dies wird aber auch heute wieder sehr stark angegangen, in den verschiedenen Frühförderinstituten. Ich bin derzeit in Regensburg an der Hochschule für katholische Kirchenmusik (HfkM Regensburg), wo wir gerade ein Frühförderinstitut aufbauen, für die jungen begabten Menschen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, ohne Druck aber mit den entsprechenden professionellen Möglichkeiten ihr Talent voll entfalten zu können.  Ich hatte als Kind sehr stark die Möglichkeit, von dieser Art Unterstützung zu profitieren und nehme an, dass es bewirkt hat, dass man da einfach ein paar Schritte schneller vorankommt als man sonst vielleicht gekommen wäre. Dadurch war dann der Berufswunsch „Musiker“ recht schnell gegeben, auch durch das Mitspiel in Jugendorchestern usw.

Stefan Arzberger in Bidibidi (Copyright: Geoffroy Schied)

Berufswünsche in anderer Richtung habe ich dann etwas später entwickelt und ausgelebt. Wir Menschen können uns nur zweidimensional bewegen, ich habe aber immer nach einer Möglichkeit gesucht, mich dreidimensional bewegen zu können, kam dann aufs Tauchen, was ich exzessiv betrieben habe. Neben der Arbeit im Orchester hatte ich die Möglichkeit, den Tauchlehrerschein zu machen und habe alles ausprobiert, was mit Tauchen zu tun hat. Ich habe als Tauchlehrer, u.a. in Ägypten gearbeitet, war viel im Roten Meer und bin viel gereist. Und beim Tauchen habe ich meinen heutigen besten Freund kennengelernt, der Lufthansa Cargo Pilot ist. Und so habe ich die Idee gehabt „Warum nicht auch das nochmal ausprobieren?“
Ich habe also mit dem Fliegen angefangen und bin auch so weit gekommen, dass ich in die Berufsfliegerei gehen wollte. Ich dachte mir, man kann es ja auch umdrehen und seinen Beruf zum Hobby machen und das, was man sonst noch erträumt, zum Beruf machen. Ich hatte schon den Vertrag bei der Flugschule in Berlin unterschrieben. Dann kam jedoch der Ruf des Leipziger Streichquartetts und dann habe ich lange überlegt: „Musik ist ein wesentlicher Bestandteil meines Lebens, ich bleibe dabei.“ Aber das Fliegen werde ich nicht los, habe immer noch die Lizenz und kann das immer noch machen.

Sie scheinen ein neugieriger Mensch zu sein und folgen Ihrem Herzen. Sehen Sie das auch so?
Ja. Das ist ein bisschen dem Umstand des Instrumentspielens geschuldet. Wenn man etwas richtig gut machen will, muss man sich richtig damit auseinandersetzen und dann auch den Willen haben, den Weg bis zum Ende zu gehen, zumindest bis dahin, wo man seine eigenen Grenzen ausgelotet hat. Das ist ein anstrengender Prozess. Der kann auch nerven, der kann einen an den Rand der Verzweiflung bringen aber man lotet seine Grenzen aus und man weiß, „soweit kann ich gehen“. Es macht keinen Sinn von Dingen zu träumen, die man nicht erreichen kann. Man muss die Dinge verstehen und sich reinknien, um sie gut zu machen.

Was geben Sie Ihren Studierenden an Ratschlägen mit auf den Weg?
Das Wichtigste ist, dass man „passionate“ bleibt, dass man die Leidenschaft für die Sache, die man macht, nicht verliert, vor allem, wenn man z.B. durch das soziale Umfeld daran gehindert wird. Das ist nicht einfach. Man muss die Energie aufwenden und manchmal braucht man jemanden, der uns an der Hand nimmt und ein bisschen in die richtige Richtung stupst. Da sehe ich meine Aufgabe drin, den jungen Leuten meine Leidenschaft zu vermitteln. Dass es nicht einfach nur ein Instrument spielen oder ein Stück spielen ist, sondern dass wesentlich mehr dahintersteckt, ein Gefühl, ein Genre, das hängt alles zusammen. Man braucht ein bisschen Grundwissen und wenn man die Dinge versteht, kann man sie viel besser zum Ausdruck bringen. Meine Aufgabe sehe ich darin, einen ganzheitlichen Musiker zu entwickeln, das ist es eigentlich, was die gesamten Hochschulen versuchen zu erreichen.  

Sie spielen ein Instrument von Domenico Montagnana, Venedig, gebaut 1746. Wie sind Sie zu diesem Instrument gekommen? Es ist ja bekannt, dass Musiker sehr große Schwierigkeiten haben, an richtig gute Instrumente zu kommen.
Als junger Musiker ist es völlig ausgeschlossen, allein durch seine Berufstätigkeit ein hochwertiges Instrument käuflich zu erwerben, es sei denn, Sie haben eine große Summe geerbt. Es gibt viele Stiftungen, die Instrumente verleihen.
Ich habe das Glück gehabt, einen tollen, wohlhabenden Menschen kennenzulernen, der sich zum Ziel gesetzt hat, aus seiner Sicht begabte Menschen mit einem Instrument zu unterstützen. Ein unglaublicher Mann und Mäzen, der nicht nur mir, sondern auch anderen Musikern die Möglichkeit gegeben hat, langfristig auf einem sehr hochwertigen Instrument zu spielen.
Das Mäzenatentum ist in Deutschland noch recht hoch ausgeprägt und ich wünsche mir, dass das so bleibt und noch viel mehr Menschen sich trauen, ihre Wertgegenstände – in diesem Fall also Instrumente- jungen Menschen zur Verfügung zu stellen. Das können natürlich auch Institutionen sein, Clubs, Vereinigungen. Ein hochwertiges Instrument ist ein ganz wichtiger Punkt im Werdeprozess eines begabten Menschen. Wenn er ein besseres Arbeitsmittel hat, kann er durchaus größere Entwicklungsschritte machen. 

Sie haben sicher schon auf vielen unterschiedlichen Meistergeigen musiziert. Was zeichnet speziell Ihre Geige aus?
Ich hatte das Glück, in meinem Leben schon auf vielen tollen Instrumenten spielen zu dürfen. Das eine Instrument war von Herbert Blomstedt, dem berühmten schwedischen Dirigenten. Er war damals Gewandhauskapellmeister und ich hatte das Glück, eine Zeitlang unter ihm spielen zu dürfen. Bei einem kleinen Kammerkonzert, saß er direkt neben mir. Nach dem Konzert erhielt ich einen Anruf und wurde geben, mich bei ihm einzufinden, um ein Instrument für ein Vorspiel auszuprobieren. Zwei Wochen später wurde ich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, diese wahnsinnig schöne Storioni, die ich ausgewählt hatte, im Gewandhausorchester zu spielen. Er hat also während der Unterhaltung etwas in mir gesehen, und wollte mir mit einem Instrument helfen. Als ich das Orchester 2008 verlassen habe, musste ich das Instrument natürlich zurückgeben. Jetzt wird es von einem Kollegen gespielt.

Danach kam der Mäzen, der mir eine Pressenda Meistervioline aus dem frühen 19. Jahrhundert zur Verfügung gestellt hat. Dieses habe ich lange gespielt, bis zur heutigen Montagnana. Ein wunderbares Instrument. Es gibt Instrumente, die nimmt man in die Hand und die funktionieren für einen einfach. Die Montagnana spiegelt ganz gut den eigenen Klang und die eigene Seele. Es ist ein ganz gutes Match hier. Nicht jedes Instrument passt zu jedem Spieler. Es ist jedoch eine wechselhafte Liebe: Das Holz arbeitet und wenn es draußen feucht ist, gefällt es dem Instrument manchmal ganz gut aber nicht, wenn die Feuchtigkeit zu viel ist. Wenn es zu trocken ist, ebenso. Das Instrument möchte gut behandelt werden und man muss sich viel mit ihm auseinandersetzen. Jeder Tag ist ein bisschen anders – das Instrument fordert einen.

Sie haben mehrere ziemlich alte Instrumente erwähnt. Was halten Sie von neu-gebauten Instrumenten?
So weit ich das beurteilen kann, gibt es eine ganze Handvoll sehr guter, neu-gebauter Instrumente. Natürlich sind die alten Techniken nur zum Teil überliefert, die Umwelteinflüsse haben sich verändert. Man kann nie so genau sagen, ob das Instrument sich noch entwickelt oder ob es den Charakter behält, ob der Charakter, der schon da ist, sich verfeinert und im Laufe der Jahre runder, weicher, angenehmer und voluminöser wird aber das kann man erst nach einer gewissen Zeit beurteilen - leider.

 

Herr Arzberger, herzlichen Dank für dieses ausführliche Gespräch, trotz Kälte.

Das Interview führte Isabelle

 

 

 

Stefan Arzberger pendelt regelmäßig zwischen Genf, Regensburg, Mannheim und Leipzig - seinen Wohn- und Arbeitszentren - hin und her.

In Regensburg ist er Professor an der Hochschule für Katholische Kirchenmusik und Musikpädagogik Regensburg (HfKM).

In Mannheim lehrt er seit 2017 als Dozent für Violine an der Hochschule für Musik.

Seit 2008 ist er Mitglied im Leipziger Streichquartett und war viele Jahren an der Hochschule für Musik und Theater Leipzig als Dozent tätig.

Er blickt außerdem auf über 40 Einspielungen mit dem Leipziger Streichquartett und eine Gastprofessur in Tokio zurück; er erteilte weltweit Meisterkurse für Kammermusik und gab Konzerte in über 70 Ländern. More to come.

Auf einen Blick: https://www.hfkm-regensburg.de/hochschule/hauptamtliche-dozenten/prof-stefan-arzberger/ 

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